Die Vision des Moments

Veröffentlicht am 5. Juli 2017 • 3 Min. Lesezeit • 473 Wörter
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Die Vision des Moments

Es kommt ja oft vor, dass wir Fotografen dazu neigen, die nächste Kamera zu begehren, nach neuen Objektiven Ausschau halten oder den nächsten Photoshop Trick lernen möchten. Mir geht es da sicherlich nicht anders als allen anderen auf dieser Welt. Ein Grund mehr sich mal wieder darauf zu besinnen, was ein gutes Foto wirklich ausmacht. Auf der Suche nach einem geeigneten Foto für meinen heutigen Instagram-Post, bin ich einige meiner eher älteren Bilder durchgegangen. Letztendlich habe ich eines aus China gefunden. Das Foto habe ich also bereits vor über 7 Jahren gemacht. Damals noch mit meiner Lumix DMC-FZ50 mit 10 Megapixeln. Heute wird man für diese Brigdekamera allenfalls noch belächelt. Dennoch gefällt mir auch heute noch das Foto. Was ist es also, das ein Foto gut aussehen lässt – die Kamera ist es offensichtlich nicht. Das ist im Übrigen sowieso logisch. Wenn ein gutes Foto jemals wegen einer guten Kamera entstanden wäre, dann dürfte es keine guten Fotos vor 5-10 Jahren gegeben haben. Denn die Techniken von damals sind definitiv überholt!

Ich denke in diesem speziellen Fall ist es der eingefangene Moment, der das Foto in gutem Licht erstrahlen lässt. Der schnell vorbeirauschende Verkehr spiegelt die Hektik des Moments wieder. Wer schon einmal in China oder auch nur in Asien war, wird sicherlich wissen, wie hektisch der Straßenverkehr dort sein kann. Wer ist nicht weiß oder glaubt, konsultiere einfach youtube. Dort wird man bestimmt schnell ein paar Beispiele finden.

Ein starker Kontrast zu dieser Hektik ist der Mann, der rechts im Bild auf dem Zebrastreifen steht und scheinbar die Geschwindigkeit und Dynamik des Verkehrs völlig ignoriert. Tatsächlich war der Mann natürlich gerade dabei die Straße zu überqueren und stand nicht Ewigkeiten dort wie angewurzelt. Das Entscheidende an dem Foto, um diesen Kontrast einzufangen, ist also gewesen, den kurzen Moment abzupassen, in dem der Fußgänger darauf wartet, weitergehen zu können. Es ist dafür enorm wichtig, einen kurzen Blick in die Zukunft werfen zu können und das fertige Foto zu sehen – bevor der zugehörige Moment eintritt. Das heißt natürlich nicht, dass ihr Stunden vorher das Foto schon im Kopf haben müsst. Ich meine hier Sekunden, vielleicht sogar nur Bruchteile von Sekunden – aber genau auf diese kommt es an. Nur wer vorausdenkt, innerlich in der Situation ist und versteht, wie sich die Szene verhalten wird, kann auch den Auslöser im richtigen Moment betätigen.

Oder um es mit den Worten des Eishockeyspielers Wayne Gretzky zu sagen: „Ich laufe dort, wo der Puck sein wird, nicht da, wo er war.“

Diese Fähigkeit ist sicherlich nichts, das man einfach im Laden kaufen kann, und auch ich werde das immer wieder üben müssen. Aber ein gutes Foto ist viel wahrscheinlicher mit dieser Herangehensweise zu erreichen als mit der besten Technik, die ihr kaufen könnt!

Den Sonnenuntergang fotografieren ist das eine, die Bewunderung eines Sonnenuntergangs zu fotografieren das andere.